Roman Schweidlenka
Walkmantext zur Wanderausstellung Sogenannte Sekten. Autoritäre Strömungen und präventive Alternativen in Graz.
Herzlich willkommen bei der Ausstellung
Sogenannte Sekten. Autoritäre Strömungen und präventive alternativen. Sie
wurde von Mag. Max Aufischer von der Kulturvermittlung Steiermark, von Dr. Roman
Schweidlenka, dem Leiter des ESO- Informationsdiestes Steiermark und vom Historiker Dr.
Eduard Gugenberger erarbeitet und wanderte bereits erfolgreich durch viele Schulen. Bis
zum Jahr 2001 ist sie ausgebucht. Unter der Leitung von Mag. Uschi Theissl von Logo dem
steirischen JugendINFORMATIOSservice wurde sie für diese Ausstellung hier in Graz
erweitert; und durch verschiedene Anschauungsmaterialien sinnlicher und anfaßbarer
gestaltet.
Sogenannte Sekten sind in den letzten
Jahren immer mehr von Medien und Politikern beachtet worden, auch Teile der Bevölkerung
sind zunehmend am Thema interessiert. Im Juni 1999 forderte der Europarat eine
verstärkte Aufklärungs- und Informationsarbeit. Er regte die Schaffung nationaler und
regionaler Informationszentren und die verstärkte Integration der Aufklärungsarbeit in Schulen an. Das Land
Steiermark hat in diesem Bereich dank der Landesräte Günter Dörflinger und Anna Rieder,
in Zusammenarbeit mit Minister Martin Bartenstein, bereits beachtliche Erfolge
vorzuweisen. So unterstützt es z.B. seit 1996 den ESO-Informationsdienst, der im
JugendINFORMATIONSservice LOGO angesiedelt ist und enger Zusammenarbeit mit dem
Landesjugendreferat im Sinne der Europaratempfehlung aktiv ist. In Graz kam es zu einer
besonderen Unterstützung durch Stadträtin Tatjana Kaltenbeck, die auch diese Ausstellung
in erweiterter Formöffentlich zugängig machte.
Die europaweite Besorgnis, die sogenannte
Sekten ausgelöst haben, erklärt sich unter anderem aus der Tatsache, dass viele dieser
Gruppen und Organisationen gehorsam einem autoritären Guru oder Führer folgen und die
Mitglieder ihre Eigenverantwortlichkeit und Mündigkeit mehr und mehr verlieren. Dazu kann
es weiters zu einer wirtschaftlichen Ausbeutung kommen. Auch für die Demokratie sind
etliche der sogenannten Sekten bedenklich: Sie zeigen deutlich Bestrebungen, Macht zu
erlangen und den Staat in ihrem Sinn umzuformen.
Es geht aber in dieser Ausstellung nicht
nur um sogenannte Sekten. Unsere demokratische Gesellschaft ist durch die
zunehmende Verbreitung einer geistigen und ideologischen Haltung bedroht, die im Sinn des
Psychoanalytikers Erich Fromms als autoritäre Religiosität definiert werden kann. Diese
autoritäre, guru- bzw. führerzentrierte Religiosität finden wir nicht nur bei
sogenannten Sekten, sondern auch bei einzelnen esoterischen und Psycho-Gruppen, im
Satanismus und im religiösen Fundamentalismus christlicher, hinduistischer und
islamischer Spielart. Die autoritäre Religiosität lässt sich auch immer wieder in der
Ideologie und der Praxis des Nationalsozialismus nachweisen, worauf diese Ausstellung
unmissverständlich hinweist. Sie möchte Strukturen und das Umfeld autoritärer
Religiosität bewusst machen und verzichtet deshalb weitgehend auf konkrete Gruppennamen. Um nicht nur der Kritik verhaftet zu bleiben,
werden auch präventive Alternativen vorgestellt, die Hoffnung auf Zukunft vermitteln
wollen.
Diese Ausstellung will niemanden
diskriminieren. Daher wird von sogenannten Sekten gesprochen, da der Begriff
Sekte wegen seine umgangsprachlichen negativen Besetzung von kritischen
Wissenschaftlern nicht mehr gerne verwendet wird. Die Ausstellung möchte aber möglichst viele Menschen, vor allem
Jugendliche, zum Denken anregen.
Die ersten drei Schautafeln wollen einige
Grundlagen verständlich machen. Sie informieren näher über den Sektenbegriff und gehen
sodann der Frage nach: Warum? Warum sind
Menschen für sogenannte Sekten anfällig? Gibt es Bedürfnisse, die unsere Gesellschaft
nicht oder nur unzureichend befriedigen kann?
In einer Krisensituation kann jeder
einmal kommen: Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Lovers, zerbrechende Freundschaften
und Ehen, Krankheiten und Todesfäller enger Bezugspersonen. Dazu kommen Bedrohungen durch
Umweltkatastrophen . Auch im Berufsleben ist nicht immer alles rosig: Viele Menschen
leiden in einer mehr und mehr auf Profit und Leistung ausgerichteten Arbeitswelt, die
gerne als Neoliberalismus bezeichnet wird, unter hoher körperlicher Belastung, ständigem
Stress, Konflikten im Team bis hin zum Mobbing und unter zu geringer Bezahlung.
Die Unternehmensberaterin Hedwig Keller
meint in ihrem Buch Angst im Beruf? dazu: und bei all diesen Belastungen
kommt als weiterer Stressfaktor hinzu, dass man immer positiv denken, gut gelaunt und gut
drauf seine sollte. Wir müssen optimistisch an Entscheidungen herangehen, dürfen auf
keinen Fall zu viele Bedenken oder gar negative Gedanken äußern . Die Fit for
Fun und Fit for Success-Welle hat uns inzwischen voll erfasst. Darüber
hinaus kommt der persönliche Frust hinzu. Man ist beruflich sol belaste, dass einem
sowohl Zeit als auch Kraft für Familie, Freunde und eine Interessen fehlen.
Andere Mensche leiden wiederum unter
ihrer Einsamkeit, Jugendlich finden keinen Anschluss an eine Clique, viele fragen
angesichts einer im Materialismus erstarrten Gesellschaf, die den Profit der
Solidarität und der menschlichen Wärme und Mitleidfähigkeit vorzieht, nach dem Sinn
ihres Lebens.
Die
Schautafeln 4 bis 7 zeigen, wie der Einstieg in eine totalitäre religiöse Gruppe
erfolgt. Manche Werber sogenannter Sekten sind psychologisch geschult. Sie erkennen
Bedürfnisse und Sehnsüchte und machen den Manschen Angebote und Versprechungen. Wenn die
Nachfrage des verunsicherten Menschen mit dem Angebot der Gruppe übereinstimmt, spricht
man von Passung. Die Anwerbung erfolgt zu 90% über persönliche Beziehungen:
In der Schule, am Arbeitsplatz oder durch einen Verwandten. Der Mensch, der sich für die
Gruppe interessiert wird heftig umworben. Er hat den Eindruck, plötzlich unheimlich
wichtig zu sein und von allen Gruppenmitgliedern heiß geliebt zu werden. Man spricht hier
von love-bombing.
Das
neue Gruppenmitglied fühlt sich gut, ist ziemlich high. Sein Leben hat urplötzlich
so scheint es - einen Sinn erhalten.
Mit
der Euphorie schwindet auch die Kritikfähigkeit immer mehr. Bekannte des Gruppeneinsteigers merken auf einmal
seltsame Veränderungen. Kritik wird abgelehnt, die Meinung des Gurus, des Chefs der
totalitären religiösen Gruppe, ist die absolute Wahrheit. Der Guru hat offensichtlich
immer recht. Gleichzeitig wird unsere so komplizierte Gesellschaft mit einfachen
Weltbildern erklärt. Gut ist, wer dem Guru oder dem neuen Propheten dient. Schlecht oder
vom Teufel besessen sind alle anderen. So einfach ist das.
Spätestens jetzt, besser aber viel früher, sollten sich besorgte Freunde bei einer Informationsstelle erkundigen, was es mit dieser religiösen Gruppe auf sich hat. Dann kann man manchmal dem Betroffenen noch helfen, ehe er völlig in die sogenannte Sekte hineingezogen wird. Bereits jetzt fängt bei ihm etwas zu wirken an, das im Volksmund gerne als Gehirnwäsche bezeichnet wird. Der Begriff Bewusstseinskontrolle, den der amerikanische Ausstiegsberater Steven Hassan entwarf, ist aber vorzuziehen. Bewusstseinskontrolle bedeutet, dass man nur erwünschte Gedanken und Gefühle hat, alle anderen verdrängt, dass man nur noch die Literatur der sogenannten Sekte liest, dass man Wohnort, Kleidung und Essgewohnheiten nach den Vorschriften der Gruppe ausrichtet.
Die Schautafeln 8 - 16 zeigen die volle Integration in die sogenannte Sekte, die nach einer Eingewöhnungsphase einsetzt. Weltanschauungen, die dem neuen Mitglied als Gottes höchste Wahrheit vorgesetzt werden, verändern sein Denken und Handeln. Manchmal zieht der neue Adept in eine Gemein- schaft, z.B. in eine Wohngemeinschaft, die nach außen ziemlich abgeschottet ist. Zugleich lernt er immer mehr, den Anweisungen seines Gurus bedingungslos zu folgen. Kritische Fragen sind out, Unterwerfung ist in. Das neue Mitglied ist bereits überzeugt, den Weg des Heils, der Glückseligkeit, des Friedens, nur so und nicht anders gehen zu müssen. Der Guru ist der mystische Führer, mit dessen Willen und Geist der Schüler verschmelzen möchte. Auch Hitler erfüllte für manche seiner Anhänger eine ähnliche Rolle.
In letzter
Zeit verbreiten einige sogenannter Sekten wieder die Ansicht, es gebe eine geheime
weltweite Verschwörung, die uns alle versklaven und die Weltherrschaft an sich reißen
möchte. Diese Weltverschwörer werden oft als Illuminaten-Geheimorden bezeichnet. 1776
wurde dieser Geheimbund von Adam Weißhaut gegründet. Er vertrat radikale demokratische
Ideen und war zu seiner Zeit so etwas wie ein linksradikaler Klub, obwohl er selbst sehr
undemokratisch geleitet wurde. Immerhin: Selbst Goethe und Herder waren mit dabei und
unter Josef II. wurden sie in Wien einflussreich. Aber da der Bund den Mächtigen jener
Zeit unheimlich war und Weißhaut sich weigerte, das christliche Glaubensbekenntnis
abzulegen, wurde er 1787 verboten und aufgelöst. Eine spätere Neugründung wurde von den
Nazis verboten, heute gibt es nur noch eine kleine Illuminatenloge in der Schweiz. Dennoch
wird von einigen sogenannten Sekten der Glaube an die allumfassende Illuminatenherrschaft
verbreitet.
Öfters macht
man für die Weltverschwörung zusätzlich auch die Juden und Freimaurer verantwortlich.
Damit lebt eine Ideologie neu auf, die im Dritten Reich die Vergasung der Juden, Roma und
Sinti, dh. der sogenannte Zigeuner, rechtfertigte. Die Neuauflage dieser
Ansicht durch einige sogenannte Sekten ist mit unserer Demokratie nicht vereinbar.
Gerade jetzt
ist der Glaube an einen drohenden Weltuntergang, dem auch etliche sogenannte Sekten
angehängen, von größter Bedeutung. Die Sonnenfinsternis im August, für die viele
Gruppen Katastrophen und die Vernichtung der Menschheit prophezeiten, haben wir ja
überlebt. Das Geschäft mit der Angst geht aber weiter und es wird wohl bis 2012 dauern.
Dann nämlich fängt laut dem Kalender der alten Mayanidianer ein neues Weltzeitalter an,
was fälschlich als Ende der Welt gedeutet wird.
Der Mythos vom Weltuntergang und anschließendem neuen Goldenen Zeitalter gehört zu den bedeutendsten Vorstellungsmustern der gesamten Menschheit. Seine Grundlage ist oft der Wunsch vieler Menschen nach Veränderung der bestehenden, als dekadent und ungerecht empfundenen Verhältnisse und die Sehnsucht nach einem freien, sorglosen, friedvollen Leben in der Welt der Fülle und Sicherheit. Diese Sehnsucht nach der Wiederaufstehung eines in Urzeiten versunkenen mythischen Paradieses, eines Goldenen Zeitalters, eines tausendjährigen Reichs, ist rund um den Erdball und weit in die vorgeschichtliche Zeit hinein nachweisbar. Im christlich geprägten Kulturraum erhielten die Jahrtausendwenden eine magisch-bedrohliche Bedeutung.
Michael de Notredame, bekannt
als Nostradamus, lebte von 1503-1566. Er gilt als der berühmteste Seher und
Endzeitkünder - neben dem urchristlichen
Johannes. Nostradamus wurde in der Provence als Sohn jüdischer Eltern geboren, die dann
zum Katholizismus übertraten. Bereits von seinem Großvater lernte er zahlreiche
Sprachen, Mathematik und die Astrologie. Mit 19 war er überzeugt, dass die Erde um die
Sonne kreiste, was ihn 100 Jahre vor Galileo für die Inquisition verdächtig machte. Dazu
zeigte er eine Neigung zur Magie und okkulter jüdischer Literatur. Schließlich
absolvierte er ein Medizinstudium. Wie alle seine Zeitgenossen fühlte er sich sowohl dem
mythischen, als auch dem rationalen Denken verpflichtet, das kurz nach seiner Zeit
endgültig eine Trennung erlebte.
Seine Prophezeiungen entstanden
in mystischer Atmosphäre, zu der Bücher über das alte Ägypten, Sternkarten, magische
Wasserschüsseln und Kristallkugeln zählten. Er arbeitete mit Meditionen, Zaubersprüchen
und Trancezuständen. Es gab und gibt unüberschaubar viele Interpretationen der Centuries
Astrologiques, seiner prophetischen Bücher, die fast 1000 Vierzeiler umfassen. So soll er
einen italienischen Schweinehirten als den späteren Papst Sextus V. erkannt haben. Er
habe die fränzösische Revolution und spezielle Ergebnisse rund um das französische
Königshaus vorhergesehen, meinen seine Fans.
An Hand der Nostradamusverse
wurde immer wieder der Weltuntergang prophezeit. Nun ist 1999 ein beliebtes Datum für
endzeitgläubige, obwohl die Aufzeichnungen des Sehers bis 3797 reichen. Er sagte im 72.
Quadrain (Vierzeiler) der 10. Centurie der Prophéties voraus:
"Im Jahr 1999 und sieben
Monaten
Kommt vom Himmel ein großer Schreckenskönig
um den großen König von Angoulême hervorzubringen.
Davor und danach wird Mars glücklich regieren.
Nostradamus sagte wörtlich:
Der Untergang kommt. Nur wann? Da rätzeln die Geister hin und her. Die
Prophezeiungen des Nostradamus sind unklar, verschlüsselt, vage. Er mischte darin
Symbole, Altfranzösisch, Latein und andere Sprachen. Die Erklärung dafür: Er lebte in
der Zeit der Inquisition und fürchtete, als Hexer angeklagt zu werden. Tatsächlich
setzte die katholische Kirche seine Bücher 1781 auf den Index der verbotenen Bücher.
Vielleicht machte es ihm aber auch Spaß, seine Nachwelt mit geheimnisvollen und
vieldeutigen Versen zu befassen.
Tatsache ist: Eine kritische Analyse vermag seinen Andeutungen nicht eindeutig
geschichtliche Ereignisse zuordnen. Es ist auch nie gelungen, an Hand seiner
Prophezeiungen ein zukünftiges Geschehen klar vorauszusagen.
Im Bann der Jahrtausendwende
hat nicht nur Nostradamus Hochkonjunktur. Seit 1990 gibt es eine eigene Hotline of Doom,
die Untergangshotline, die ökologische Probleme für den nahenden
Weltuntergang verantwortlich macht, in eine ähnliche Richtung weisen auch die Aussagen
der Society for Secular Armageddon, der Gesellschaft für den Weltuntergang. Die Church of
Euthanasia fordert weltweit zum Selbstmord auf, um dem ökologischen Holocaust zuvorzukommen,
Welthungergangspropheten bevölkern das Internet, Prophezeiungen über die baldige Wiederkunft
Christi haben sich auch massiv in fundamentalistischen und charismatischen christlichen
Gruppen breitgemacht und haben Randbereiche der etablierten Kirchen erfasst.
Endzeitgläubige in den USA
haben Plätze in einer Flotte von kleinen Flugzeugen gebucht, die Richard Kieninger
vermarktet. Aus sicherer luftiger Höhe wollen sie herabsehen, wie Mutter Erde durch
Erdbeben, Flutwellen, Vulkanausbrüche und andere deftige Katastrophen erschüttert wird.
Der Katastrophenprophet Gordon Michael Scallion, der für 2012 den großen Zusammenbruch
voraussieht, verkauft sein Matrix Institut und eine eigene Zeitschrift (Earth Changes
Report) für 45 Dollar sogenannte Landkarten der Zukunft. Hier können
apokalyptische Geistsurfer bereits ihr neues Zweitwohnhäuschen auf der geänderten,
gereinigten Erde planen.
Andere Wege apokalyptischer
Weissagungen ging Helen Wambach. Die Reinkarnationstherapeutin war plötzlich überzeugt,
dass nicht nur frühere, sondern auch zukünftige Leben einsehbar wären und entwarf aus
diesbezüglichen Mitteilungen ihrer Kunden ein katasrophales Szenario zund um das Jahr
2000 bzw. das erste Jahrzehnt des nächsten Jahrtausends, das angeblich keine ihrer Kunden
überleben werden.
Die Daten variieren. Die berühmte Seherin Jeane Dixon zitierte für 1999 die Apokalypse
herbei, der bekannte Prophet Edgar Cayce mutmaßte einen Polsprung nach einer Zeit
furchtbarer Katastrophen ab 1936 für 2000-2001. Die Prophezeiungen sind unüberschaubar.
Neben Nostradamus, Edgar Cayce, dem Geologen Jeffrey Goodman, der zwischen 1980 und 2000
katastrophale Umwälzungen ankündigte und den meist ungenau oder verzerrt wiedergegebenen
Prophezeiungen indianischer Nationen boomen auch die
Tatsache ist: Keine einzige der von den Weltuntergangspropheten mit Datum belegte Katastrophe ist eingetroffen, wie es die Zeitschrift Esotera feststellte. Die Prophezeiung der alten und vor allem der modernen Seher halten keiner kritischen Überprüfung stand; was sie nicht daran hindert, immer wieder ihre Erfolge anzupreisen. Sogenannte Sekten verbinden mit der Angstmacherei vor der Apokalypse gleich das rettende Rezept: Sich der Gruppe anschließen und den Anweisungen des Gurus Folge leisten. Manche totalitäre religiösen Gruppen sind auch überzeugt, mit dem UFO abgeholt und in eine bessere Galaxie gebracht zu werden; oder als neue Herren auf einer neuen Erde nach dem großen Reinemachen zu herrschen.
Wenn der prophezeite Weltuntergang nicht eintritt und das Jüngste Gericht nicht wieder terminlich verschoben werden kann, können Sektengurus unter Zugzwang geraten und das Gefühl haben, in die Enge getrieben worden zu sein. Bei einer derartigen Fanatisierung kann die Gruppe als Flucht vor den Wirren der Endzeit und angeblich überall lauernder Gefahren durch einen gemeinsamen Selbstmord in die bessere spirituelle Welt aufbrechen.1997 begingen deswegen 39 Mitglieder der Heavens-Gate-Gruppe Selbstmord. Oder der religiöse Führer befielt, durch Anschläge das erwartete Weltende herbeizubomben. Das war die Linie der japanischen Aum-Shinri-Kyo-Organisation, die 1995 ein Giftgasattentat in der U-Bahn von Tokyo durchführte. Diese totalitäre religiöse Gruppe ist seit kurzem wieder verstärkt aktiv.
Wenden wir uns nun den Schautafeln 17 bis 19 zu. Der Satanismus, der in seiner modernen Form auf den Engländer Aleister Crowley zurückgeht, ist gerade in letzter Zeit zu einem Thema geworden.
Satanismus ist dem eigentlichen Wortsinn nach eine Verehrung des Teufels als dualistischen Gegenpol zu Gott. Satanismus umfasst viele künstlerische Ausdrucksformen, die den Teufel symbolisch als Medium gesellschaftskritischen Protests betrachten, auf der anderen Seite gibt es den sogenannten harten Satanismus, der rituell den leibhaftigen Teufel beschwört. Eine Schwarze Messe ist eine Umkehrung des katholischen Messerituals mit der rituellen sexuellen Vereinigung von Priester und Priesterin als Höhepunkt.
Neben dem harten Satanismus, der meist im geheimen Zirkeln organisiert ist, beschäftigt vor allem der Jugendsatanismus die Öffentlichkeit. Eine 1999 von Landesrat Günther Dörflinger in Auftrag gegebene Pilotstudie stellte fest:
1,8 % der
befragten Jugendlichen fühlen sich einer Satansgemeinschaft verbunden, 1,7 % sind in
einer aktiv. 0,7 % möchten sich einer Satanistengruppe anschließen. 2 % haben an
schwarzen Messen teilgenommen, weitere 3,1 % würden es gerne tun. Wie bei satanistischen
Ritualen neigen die Praktikanten schwarzer Messen zu einer dauerhaften Praxis. Erstaunlich
hoch sind die 11,4 %, die angaben, jemanden zu kennen, der bei einer satanistischen Gruppe
aktiv ist. 16 % kennen den Ahnherrn des modernen Satanismus, Aleister Crowley, was auf
eine durchaus auch kritische Beschäftigung mit der Thematik hinweist. Problematisch sind
jene 4,2 % männlicher Jugendlicher, die gefallen am satanistischen Altmeister finden, der
Gewalt und schwarze Magie verherrlichte und sogar zum Opfern eines Kindes in
seinem Liber Al Vel Legis, das als Satanistische Bibel gilt,
aufrief. Horrorfilme beziehen ihren Stoff häufig auch aus dem Satanismus. Daran finden 52
% gefallen, bei den Burschen sind es sogar 62,2 %.
Bei den
Ritualen, die auf Friedhöfen, in Wäldern oder Kellern abgehalten werden, geht es um die
Beschwörung des Teufels oder verschiedener Dämonen, zusätzlich können dabei sexuelle
Praktiken, die sonst tabuisiert sind, ausgelebt werden. In harten Fällen kommt es zu
Tieropferungen oder Vergewaltigungen. Als Mutprobe bzw. Aufnahmeritual muss zB. einer Maus
der Kopf abgebissen werden. Ein wichtiges Element des Jugendsatanismus ist Protest,
Rebellion und die Anklage gegen eine Gesellschaft, die für viele Jugendliche No
Future, Arbeitslosigkeit und Unsicherheiten bereit hält. Ein weiteres wichtiges
Element des Jugendsatanismus sind magische Hoffnungen: Von den Dämonen, die beschworen
werden, erhoffen sich die Jungen Adepten der schwarzen Magie Macht; Macht über
Mitmenschen, Mitschüler, über die Freundin, die nun mit einem Anderen geht. Es ist der
Glaube, mit Magie Leistungen erbringen zu können, die sonst nicht möglich sind und
sogleich die Hoffnung, über magische Macht, power und spürbare Ausstrahlung
zu verfügen.
Was
manchmal als Protest, Nervenkitzel und Flucht aus der Eintönigkeit der modernen
Gesellschaft oder schlichter Abenteuerlust beginnt, kann durchaus problematisch enden. Die
Gefahren des Jugendsatanismus sind vielfältig.
Es kann zu
ernsthaften psychischen Problemen, oft in Zusammenhang mit Alkohol- oder Drogenproblemen,
kommen. Auch Selbstmorde ereigneten sich im Zusammenhang mit dem Satanismus, als
Jugendliche vermeinten, innere Stimmen zu hören, die ihnen sagten: Satan
Die
satanistische Ideologie der Gewaltverherrlichung und des Übermenschen gefährdet
christliche, sozial- demokratische, wertkonservative und solidarische Weltbilder und deren
politische Manifestationen in der modernen Demokratie.
Die
Schautafel 20 ist der Esoterik gewidmet. Viele Ausstellungsbesucher und
In der Steiermark gibt es eine zunehmende Bildung sektenähnlicher Gruppen aus dem Bereich
der Esoterikszene. Diese Gruppen haben keinen Namen und scharen sich um eine
charismatische Führerpersönlichkeit und entwickeln gerade im Hinblick auf eine angeblich
drohende Apokalypse ein sektenähnliches Verhalten. Die Zukunft der sogenannten Sekten
wird, das bestätigen auch einzelne deutsche Experten und Expertinnen, bei diesen kleinen,
sehr unüberschaubaren, sektoid-esoterischen Gruppen liegen, wobei deren Grad der
Abschottung von der Gesellschaft unterschiedlich ist. In den USA ist diese Entwicklung
bereits voll im Gang.
Können wir dem Trend zu sogenannten Sekten, zu Satanismus und religiösem
Fundamentalismus etwas sinnvolles entgegensetzen? Die Schautafeln 21 bis 28 versuchen,
dazu Ideen zu entwickeln und bereits umgesetzte Konzepte zu veranschaulichen. Information
und Beratung bieten entsprechende kirchliche und staatliche Stellen sowie
Privatinitiativen.
Informationen über problematische religiöse Gruppen und Trends sind in unserem Zeitalter
des religiösen Pluralismus, der hunderte Anbieter und Produkte auf dem spirituellen
Supermarkt aufweist, eine absolute Notwendigkeit. Darüber hinaus müssen aber präventive
Alternativen geschaffen werden. Auf den jeweiligen Schautafeln präsentieren sich
die katholische und evangelische Kirche, das JugendInformationsService LOGO und die
An den Tafeln wirkten Mag. Gerhard Weber, Mag. Herwig Hohenberger, Peter Scheibengraf,
Stefan Perschler, Dr. Birgit Strimitzer und Gottfried Reyer mit.
Bitte beachten
Sie auch die Tafel über das Internet. Sowohl die Botschaften sogenannter Sekten und
satanistischer Gruppen, als auch aufklärende, kritische Informationen tummeln sich in
diesem überall gefeierten Zeitgeist-Medium.
Die
Psychotherapeutin Marina Meindl-Neumann meint: In jedem Fall muss es darum gehen, dass
eingeschüchterte Menschen wieder in der Lage sind, dass Steuer Ihres Lebens zu
übernehmen. Das gelingt, wenn Sie angeleitet werden, Zugang zu Ihren Ressourcen zu
erlangen, Skepsis und Kritikfähigkeit zu entwickeln und Beziehungsfähigkeit zu
erlernen. Dadurch können auch Abhängigkeiten erkannt werden. Wichtig ist es, aus der
Isolation herauszutreten.
Wenn wir über
Prävention sprechen, dürfen wir dem Begriff der Beheimatung nicht
ausgrenzen. Es geht um sinnvolle, weltoffene Lebenswelten in Regionen und Stadtteilen, die
neben einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung Mitbestimmung, gerade für
Jugendliche, und vielfältige kulturelle Angebote bereithalten müssen. Mit der
Einrichtung von Jugendgemeinderäten hat das Land Steiermark hier einen
zukunftweisenden Weg beschrieben. Zur Beheimatung zählen aber auch die Initiativen
, die die Emanzipation und das Selbstwert- gefühl der Jugendlichen fördern. Aus no
future soll wieder Hoffnung auf Zukunft werden.
Wir danken
Ihnen für den Besuch der Wanderausstellung Sogenannte Sekten. Autoritäre
Strömungen und präventive Alternativen und hoffen, dass wir Impulse, Anregungen
und wertvolle Informationen vermitteln konnten.
Text: Dr. Roman Schweidlenka
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