Doch im Westen bahnt sich um diese Zeit ein Wandel an. Das Gerokreuz des Kölner Domes, kurz vor 1000 entstanden, scheut sich nicht, den Gekreuzigten im Tode zu zeigen. Bei den romanischen Großkreuzen der Folgezeit wird der Ausdruck des Leidens immer deutlicher, der in der anbrechenden Gotik noch mehr gesteigert wird. Es ist die Zeit, da Bernhard von Clairvaux schreibt: "Ich spreche es nicht ohne Tränen aus: ich kann ihn nicht schauen als den König in seiner Herrlichkeit, thronend über Cherubim, wie er auf hohem, erhabenem Thron sitzt. So künde ich ihn wenigstens als Menschen - ich, ein Mensch - den Menschen in jener Gestalt, in der er sich unter die Engel erniedrigte.

So kommt es in dieser Zeit, im 12. Jahrhundert, zum folgen- reichsten Umbruch in der Geschichte des Christusbildes. Christus erscheint nun als der Liebenswürdige, nicht als der Erhabene, als der Leidende, nicht als der Triumphierende, als der Heiland der Sünder, nicht als der Richter in seiner Majestät.